
Sodabob - Die Nacht der Geschichten
Die Katzen der Siedlung Neugebäude eilten aufgeregt zu einem Garten am Ende des Wegs 7. Kreisförmig versammelt, saßen sie dort und warteten gespannt auf die Geburt eines Kätzchens. Eine Geburt war nichts Ungewöhnliches, doch diese schien es zu sein. Die gebärende Katze miaute so laut, dass ihr Ruf weit durch die Umgebung hallte. Ihre Körpertemperatur sank rapide, was zu Komplikationen führte. Starke Blutungen setzten ein, und das Pressen wurde zunehmend erfolgloser. Die alten, erfahrenen Katzen halfen ihr mit Rat und Tat.
Plötzlich ein lautes Geschrei – das erste Kätzchen war da. Ein großer schwarzer Kater brüllte aus Leibeskräften, während er den Mutterleib verließ. Alle atmeten tief durch und tauschten hoffnungsvolle Blicke. Doch es blieb bei diesem einen: Nur er erblickte das Licht der Welt. Der kräftige junge Kater hörte nicht auf zu schreien. Er schrie so lange und laut, bis seine Stimme versagte. Schließlich erschöpfte ihn das Geschrei, und er rang nach Luft. Kira, die älteste Katze, legte ihn behutsam in die Arme seiner Mutter. Sie beruhigte ihren Neuling, bevor er sich noch Hals und Brust wundschrie.
„Beruhige dich, mein starker schwarzer Panther. Es war ein anstrengender Tag, lass uns ausruhen. “
Sofort gehorchte er, denn die Stimme seiner Mutter beruhigte ihn. Erschöpft schlief er ein. Die anderen Katzen, neugierig wie immer, fragten unaufhörlich: „Wie wird er heißen? “ Seine Mutter lächelte und sagte:
„Sodabob soll sein Name sein. “
„Was für ein seltsamer Name! “, riefen alle gleichzeitig.
„Ich hörte ihn einmal im Fernseher der Menschen“, erklärte sie. „Er klang so außergewöhnlich, dass ich ihn nie vergessen habe. “
Fünf Monate sind vergangen, und Sodabob ist deutlich gewachsen. Die Enge der Siedlung, die seine Mutter ihm stets ans Herz legte, ertrug er nicht länger. Seine Neugier trieb ihn hinaus, die Welt jenseits der vertrauten Grenzen zu erkunden. Er wollte mehr über die anderen Tiere erfahren und brach kurzerhand in Richtung Kaiserebersdorf auf. Am alten Friedhof dort begegnete er Speiky, dem Fuchs.
„Hallo, mein Freund! Ich bin Speiky, der Fuchs. Wie heißt du, wenn ich fragen darf? “
„Man nennt mich Sodabod. Ich komme aus der Siedlung Neugebäude. “
„Ah, die kenne ich! Früher hatte ich dort ein paar Bekannte. Aber was für ein ungewöhnlicher Name – so einen habe ich noch nie gehört. Doch ich muss sagen, er passt hervorragend zu einem schwarzen Kater wie dir. Nun erzähl: Was führt dich hierher, auf diesen Friedhof? “
„Das ist reiner Zufall. Ich möchte neue Freunde kennenlernen. “
„Dann bist du hier genau richtig. Heute Abend kommen ein paar Freunde zu Besuch.
“ Sale, der Dachs, mit dem ich auf diesem Friedhof lebe, würde sich freuen, wenn du gegen neun Uhr vorbeischaust – falls es dir passt. Heute ist die Nacht der Geschichten. Jeder, der dabei ist, kann eine Geschichte erzählen. Sie darf frei erfunden sein oder aus dem Leben stammen. Dieses Treffen findet zwar selten statt, doch wir freuen uns jedes Mal darauf. Der Friedhof ist der perfekte Ort dafür – er verleiht den Geschichten einen Hauch von Mystik. “
„Das klingt spannend. Ich komme euch am Abend gern besuchen, auch wenn ich nicht weiß, was mystisch bedeutet. “
„Lass dich überraschen! Wir sehen uns später. Ich muss weiter, es gibt noch einiges zu tun. “
Von diesem Moment an dachte Sodabob nur noch an die Veranstaltung. Er hielt sich in der Nähe des Friedhofs auf, um nichts zu verpassen, falls es früher losging. Gegen neun Uhr abends war es endlich so weit: Einer nach dem anderen traf am Friedhof ein. Der Mader-Madi, die Möve-Boi, die Krähe-Nuno, die Eule-Lo und der Wolf-Zolo. Speiky, der Fuchs, und Sale, der Dachs, begrüßten die Ankommenden, darunter auch Sodabob, den sie sofort vorstellten. Mit großer Begeisterung empfingen sie ihn, reichten ihm die Hand und schlossen ihn in die Arme.
Dann entzündeten sie gemeinsam das vorbereitete Lagerfeuer, das Speiky und Sale aus trockenen Birkenästen aufgebaut hatten. Zolo, der Wolf, wurde ausgewählt und begann als Erster, seine Geschichte zu erzählen. Sofort kroch ein gruseliges Gefühl durch die kalte Herbstnacht. Während Zolo sprach, stieg sein Atem als feiner Hauch zwischen seinen Zähnen auf. Dieser Anblick jagte nicht nur Sodabob eine Gänsehaut über den Rücken – den anderen erging es genauso. Der Wind, der in der finsteren Nacht unheimliche Geräusche hervorrief, verstärkte die düstere Stimmung noch.
„Ruhe, meine Freunde! Zolo wird uns jetzt an diesem kalten Abend seine Geschichte erzählen“, sagte Speiky, der Fuchs.
Alle rückten näher zusammen, um Zolo besser zuzuhören. Sogar Sodabob drängte sich zum ersten Mal aufgeregt dazwischen, die Ohren gespitzt, und lauschte voller Begeisterung. Zolo begann:
Vor zwei Jahren war Soja, meine große Liebe, an meiner Seite. Wir wollten eine Familie gründen, alles schien perfekt –bis das Schicksal grausam zuschlug. Wie ein Fluch befiel Soja eine Krankheit, die ihren Körper unbarmherzig auszehrte. Die Schmerzen wurden täglich schlimmer, bis sie kaum noch auszuhalten waren. Durch Zufall hörte ich von einer heilenden Grotte in Frankreich, in Lourdes, einer Stadt im Südwesten des Landes, am Rand der Pyrenäen. Sie ist weltweit bekannt für Wunderheilungen. Jedes Jahr strömen unzählige Menschen zur Grotte von Massabielle. Dort soll 1858 einer jungen Einheimischen eine Heilige erschienen sein. Pilger trinken das Wasser aus der Quelle in der Grotte oder baden darin, in der Hoffnung auf Heilung.
Doch es sollte nur bei Menschen Wunder wirken können – das verschwieg ich Soja. Ich bat unseren Rudelführer, uns nach Frankreich zu begleiten, doch er lehnte ab. „Ich kann das Rudel nicht für Soja in Gefahr bringen“, sagte er. Also brach ich mit Soja allein auf. Die Reise war beschwerlich und dauerte über zwei Wochen. Die letzten Kilometer wurden für Soja zur Qual, ihre Kräfte schwanden. Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch – der anhaltende Stress und die Überforderung hatten sie emotional ausgelaugt. Doch sie hielt durch. Am Abend des 17. Tages erreichten wir die Grotte mit dem heilenden Wasser. Wenige Meter davor rasteten wir, bis die Nacht hereingebrochen war. Ich musste sie die letzten Schritte ziehen, ihre Erschöpfung war zu groß. Vorsichtig legte ich sie ins Wasser der Grotte. Immer wieder versuchte sie, mir etwas zu sagen, das ihr offenbar wichtig war, doch sie war zu schwach. Fast die ganze Nacht blieb sie im Wasser und trank davon. In den folgenden Tagen wiederholten wir das Ritual. Und tatsächlich: Es ging ihr langsam besser. Mir fiel eine große Last vom Herzen – ich hatte schon geglaubt, es gäbe keine Hoffnung mehr für sie.
Eines Nachts, als sie wieder im Wasser lag, tauchte plötzlich ein Rudel Wölfe vor uns auf. Sofort war mir klar: Das gibt Ärger. Doch mit Soja zu flüchten war unmöglich. Der Anführer des Rudels fixierte sie sofort mit seinem Blick – er beanspruchte sie für sich. Ohne Zögern forderte er mich zum Kampf heraus. Er wollte Soja an seiner Seite, egal, was wir ihm entgegneten. Für ihn stand fest: Sie war die perfekte Wölfin. Wir zogen uns ins nahegelegene Waldstück zurück, um zu kämpfen. Es ging um Leben und Tod – und ich verlor. Er war groß, stark und mir überlegen. Immer wieder biss er in meinen Körper. Halb tot und am Boden liegend hörte ich noch, wie Soja meinen Namen rief.
„Zolo, lasst ihn in Ruhe. Ich gehe mit euch. Er wird diese Verletzungen nicht überleben. Bitte lasst ihn hier würdevoll sterben.“
Nach diesen Worten sah ich sie nie wieder, doch sie rettete mir das Leben. Wie lange ich in diesem Waldstück lag, weiß ich nicht, denn irgendwann verlor ich das Bewusstsein. Ein junger Mann namens Jules fand mich und brachte mich in die heilende Grotte. Wie durch ein Wunder erholte ich mich Tage später. Er gab mir zu essen und bot mir einen sicheren Unterschlupf. Als ich Monate später wieder zu Kräften kam, trat ich die Heimreise an. Diesem Menschen verdanke ich mein Leben – ich werde Jules nie vergessen. Ich versuchte noch, das böse Wolfsrudel aufzuspüren, doch es war mit Soja wie vom Erdboden verschwunden. Als ich Wochen später zurückkehrte, verweigerte mir mein Rudel den Zutritt. Man erklärte mir, wer es einmal verlässt, darf nie zurückkehren. Von diesem Moment an war ich rudellos und zog allein durch die Gegend. Wie ihr wisst, lebe ich heute in den Wäldern von Kledering und besuche euch gern in Simmering. Diese nächtlichen Treffen mit euch Freunden tun meiner traurigen Seele gut. Dafür möchte ich euch danken – zugleich endet hier meine Geschichte.
„Wow, was für eine Geschichte! “, rief Speiky Zolo zu. Die anderen klatschten begeistert und riefen: „Wahnsinn! Fantastisch! “
Sodabob fragte: „Ist diese traurige Geschichte wirklich wahr? “
Zolo lächelte und sagte: „Das bleibt mein Geheimnis. “
Da rief Nuno in die Runde: „Darf ich euch heute eine Geschichte erzählen? Es würde mich sehr freuen, denn ich muss etwas loswerden, das schwer auf mir lastet, bevor es mich erdrückt. “
„Wenn das so ist, bitten wir dich sogar darum. Du erzählst schließlich am seltensten eine Geschichte“, antwortete Speiky, während die anderen ihm jubelnd den Rücken stärkten.
Nuno begann:
„Heute erzähle ich euch die Geschichte einer Krähe namens Swan – ein Geheimnis, das ich nun lüfte. Es wird Zeit, dass ihr die Wahrheit erfahrt. Swan ist ein alter Bekannter von euch, denn so hieß ich früher. Nichts ist, wie es scheint. Die Wahrheit hat viele Gesichter – eine alte Weisheit, die uns lehrt, dass der erste Eindruck oft täuscht.
Alles begann, als ich einer alten Frau half, die schlecht sieht. Sie wurde überfallen. Ein Mann stieß sie zu Boden und wollte ihre Handtasche rauben. Die Frau wehrte sich mit aller Kraft, schrie um Hilfe, doch niemand – weder Mensch noch Tier – wagte es, einzugreifen. Niemand außer mir.
Zuerst flog ich knapp an ihm vorbei, um ihn von der Frau abzulenken. Dann griff ich ihn an. Mit meinem Schnabel hackte ich auf seinen Kopf ein, bis ich sein rechtes Auge traf. Der Mann schrie vor Schmerz und krümmte sich am Boden. Ich ließ nicht nach, kratzte sein Gesicht mit meinen scharfen Krallen und trieb ihn in die Flucht. “
Erst jetzt eilten die Menschen der Frau zu Hilfe, hielten den Mann fest und übergaben ihn der Polizei. Diese nahm ihn mit auf die Wache. Später verurteilte man ihn zu einer Haftstrafe, die er absitzen musste. Er war kein Unbekannter, sondern längst polizeibekannt. Die alten Krähen feierten das Geschehen und Riefen mich, Swan, aus. „Diesen Namen trägt nur ein großer Krieger! “, verkündeten sie den anderen Krähen. „Er ist ein solcher Krieger und verdient diesen Namen. Zollt ihm den Respekt, den er sich erkämpft hat – wir Älteren tun es bereits. “ Doch die besondere Tapferkeit brachte mir bald neue Gefahr. Nach kurzer Zeit kam der böse Mann frei und suchte nach mir. Man erzählte von einem Mann, der mit einem Fernglas die Gegend nach einer Krähe mit weißen Füßen absuchte. Ich war leicht zu erkennen, denn meine weißen Füße waren eine seltene Laune der Natur, die ich von Geburt an trug. Als ich erfuhr, dass er mich suchte, verschwand ich.
Ich tauchte unter und änderte mein Aussehen. Meine Füße färbte ich schwarz, um wie eine von vielen Krähen auszusehen. Das tat ich nicht nur für mich, sondern auch, um die anderen Tiere zu schützen, die mit mir zu tun hatten. Sie wären in Gefahr, wenn man mich bei ihnen sähe. So wurde ich zum Einzelgänger und suchte mir einen neuen Platz zum Leben. Niemand weiß, wo ich bin – und das ist gut so. Ich legte meinen Namen ab: Aus Swan wurde Nuno. Nur für dieses Treffen verlasse ich mein Versteck. Ihr seid wunderbare Freunde, und für euch riskiere ich mein Leben. Nach diesem Abend verschwinde ich, wieder, um euch nicht in Gefahr zu bringen. Denn der böse Mann sucht noch immer nach mir – seit drei Jahren. Er wird nicht ruhen, bis er mich tot sieht. Sein Hass auf mich kennt keine Grenzen. Verzeiht mir, dass ich euch erst jetzt davon erzähle. Die Angst, einen von euch zu verlieren, war zu groß. Das könnte ich nicht ertragen. Doch jetzt wage ich diesen Schritt, denn das Schweigen frisst mich auf. Ich will und kann nicht länger mit diesem Geheimnis unter euch leben. Wahre Freunde verdienen die Wahrheit. Danke, für eure Aufmerksamkeit.
Sie standen gleichzeitig auf und umarmten ihn. „Niemand kann uns trennen! “, rief Madi, der Marder. Boi, die Möwe, ergänzte: „Wir halten zusammen, egal was passiert. “ „Ja, wir sind unzertrennlich! “, schrie Sodabob in den Himmel. Alle sahen ihn an und lachten. „Lo“, rief Sodabob, „ab jetzt gehörst du zu uns. “
Sale, der Dachs, wandte sich an die Eule:
„Lo, erzähl du die nächste Geschichte. Ich höre dir so gern zu. Deine Stimme ist außergewöhnlich – sie beruhigt ungemein. “
Die anderen stimmten zu und unterstützten Sales Bitte.
„Na gut“, sagte Lo, „wenn ihr mich so darum bittet, erzähle ich euch eine Geschichte. “
Und so begann Lo mit den Worten:
Erzengel Ariel wanderte durch die Landschaft, als sie auf den Graureiher Fodi traf. Der suchte gerade in einem kleinen Teich, der an ihrem Weg lag, nach Fischen. Als er einen fing, rief Ariel ihm zu: „Gut gemacht! Fischst du hier öfter? “Fodi war so überrascht, dass er nur stammelte. „Ah… oh… mmmr…“ Ariel lächelte. „Langsam, mein Freund. Mit vollem Mund spricht man nicht, sonst verschluckst du dich noch. “ Vor Schreck spuckte Fodi den Fisch aus und antwortete schließlich: „Ja, ich lebe hier in der Gegend. Aber was führt dich her? Ich habe dich noch nie gesehen. “ Ariel erwiderte: „Ich bin auf einer Wanderung, um die Natur zu erkunden und Neues zu entdecken. “Fodi nickte begeistert. „Darf ich dich begleiten? Das klingt spannend. “ Ariel lächelte. „Na dann los, lass uns weitergehen. “
Sie gingen gemeinsam durch das Naturgebiet. Ariel erzählte ihm, sie sei der Engel der Natur. Sie schütze die Natur, die Tierwelt und das Ökosystem. Fodi riss vor Staunen die Augen auf und jubelte, denn er hatte noch nie einen Engel gesehen, geschweige denn einen getroffen. Vor Aufregung plapperte er unaufhörlich über die Gegend. Allmählich dämmerte es, und der Weg führte sie zufällig an ein großes Grundstück.
Dort hielten sie an, in der Hoffnung, die Nacht in der prächtigen Villa einer wohlhabenden Familie verbringen zu dürfen. Doch die Familie zeigte sich unhöflich und verweigerte Ariel und Fodi die Unterkunft im Gästezimmer.
Stattdessen wies man ihnen einen kleinen Raum im kalten, feuchten Keller zu. Als sie sich auf den harten Boden setzten, um auszuruhen, entdeckte Ariel ein Loch in der Mauer und verschloss es. Fodi fragte kopfschüttelnd, warum sie das tat. Ariel antwortete:
„Die Dinge sind oft anders, als sie scheinen“
Fodi verstand nicht, was sie meinte, und schüttelte nur den Kopf, ohne weiter nachzufragen.
Am nächsten Morgen setzten sie ihre Reise durch das herrliche Naturgebiet fort. Das ständige Auf und Ab der Hügel forderte ihre Kräfte. Umso erleichterter waren sie, als sie abends auf einen alten Bauernhof stießen und dort Rast machen konnten. Die Bauernfamilie war arm, aber herzlich. Sie teilten das wenige Essen, das sie hatten, und boten den Reisenden sogar ihr Bett an, in dem die beiden tief und erholsam schliefen. Am nächsten Morgen weckte die Sonne sie, doch in der Küche fanden sie den Bauern und seine Frau weinend vor. Ihr einziges Schaf lag tot auf dem Feld. Fodi blickte erstaunt zu Ariel, die ihn ruhig ansah und sagte:
„Die Dinge sind oft anders, als sie scheinen“
Fodi wurde zornig und fragte Ariel: „Wie kann ein Engel so etwas zulassen? Die wohlhabende Familie hatte alles, was man sich nur wünschen kann, und trotzdem hast du ihnen geholfen. Die arme Familie hingegen besaß kaum noch etwas, und du ließest zu, dass ihr letztes Schaf starb. Warum, Ariel? “
„Die Dinge sind oft anders, als sie scheinen“, entgegnete Ariel.
„Als wir im kalten, feuchten Keller der Villa rasteten, entdeckte ich, dass die Familie ihr Gold in einem Loch in der Wand versteckt hatte. Der Hausherr war so von Gier zerfressen, dass er sein Glück nicht teilen wollte. Also verschloss ich die Wand, damit er das Gold nicht mehr finden konnte. In der letzten Nacht, als wir im Bett der Bauernfamilie schliefen, erschien der Todesengel, um die Frau des Bauern zu holen. Ich handelte mit ihm: Er verschonte die Frau und nahm stattdessen das Schaf. “
„Die Dinge sind oft anders, als sie scheinen“, wiederholte Fodi und sah Ariel an.
Lo dankte fürs Zuhören und hoffte, dass alle etwas aus ihrer Geschichte mitnehmen würden. Der verdiente Applaus ließ nicht lange auf sich warten: Alle erhoben sich und klatschten minutenlang. Als der Beifall verebbte, sprach Speiky:
„Freunde, es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Bald bricht der Morgen an. Seid wachsam und vertraut niemandem blind – die Gefahr lauert überall. “
Und so trennten sich ihre Wege, denn keiner schlug dieselbe Richtung ein. Nur Sodabob blieb nicht allein: Nuno begleitete ihn, da sein Zuhause auf Nunos Route lag. Nuno flog neben ihm her, und sie unterhielten sich angeregt.
„Mein kleiner Freund, was du heute Nacht erfahren hast, muss unser Geheimnis bleiben. Andernfalls bringst du dich und alle anderen in große Gefahr. “
„Ich verspreche dir, Nuno, kein Wort wird über meine Lippen kommen. “
„Das beruhigt mich. Ich werde dir vertrauen. “
Als sie den Naturlehrpfad erreichten, drang plötzlich eine Stimme aus einem großen Gebüsch. Sie klang tief und bedrohlich und jagte Sodabob einen Schauer über den Rücken.
„Halt, ihr zwei, spitzt die Ohren! Ich suche einen Wolf namens Zolo. Sagt euch der Name etwas, oder habt ihr ihn vielleicht gesehen? “
Bevor Sodabob antworten konnte, raschelte das Gebüsch, und ein beeindruckender Wolf trat hervor. Sein Blick war furchteinflößend. Sodabob erstarrte vor Angst, doch er sagte ruhig:
„Vorsicht, Wolf, ich bin in Begleitung einer furchtlosen Krähe namens Nuno. Glaub mir, er ist mutiger und stärker als hundert Steinadler zusammen. Und ja, ich kenne Zolo. Er ist unser Freund. Aber was willst du von ihm? “
„Ich muss ihn finden, er ist die Liebe meines Lebens. Helft mir bitte! Mein Name ist Soja, das hier sind Mino und Mune, meine Kinder. Ihr Vater heißt Zolo. Bitte sagt mir, wo ich ihn finden kann – meine beiden Lieblinge brauchen ihren Vater.“
Nuno beugte sich zu Sodabob und flüsterte: „Sag ihr die Wahrheit. Sag ihr, wo Zolo lebt. “
Sodabob verriet es schließlich: „Soja, du findest ihn hinter dem Wiener Zentralfriedhof, in den Wäldern beim Dorf Kledering. “
„Ich danke euch von Herzen, Nuno und Sodabob. Es war mir eine Freude, euch kennenzulernen. “
Soja und ihre Kinder rannten so schnell sie konnten Richtung Kledering. Die Sehnsucht, Zolo wiederzusehen, trieb sie voran. Nuno und Sodabob kehrten mit dem stolzen Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, nach Hause zurück.
Schlusswort
Die Geschichte lehrt und warnt zugleich. Wer nicht zuhört, wird ihre Fehler wiederholen.
Kurzgeschichte aus Simmering
Andreas Kmeth
(a Simmeringer Gschichdldrucka, wi´ra im biachl schdeht )