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Jonny K.

Jonny wurde 1928 in Anina, auch Steierdorf genannt, in Rumänien geboren. Sein Zuhause war ein kleines Bauernhaus am Ende der Hauptstraße, die sich durch das ganze Dorf zog. Als jüngster von sechs Kindern wuchs er in einer idyllischen Landschaft auf. Sanfte Hügel und Berge umrahmen die Ortschaft Anina, die im Kreis Caraş-Severin im rumänischen Banat liegt.

Die Gründung von Steierdorf ist genau dokumentiert: Am 24. Juni 1773 kamen 50 Holzknechte, Köhler und ein Holz-und Kohlmeister aus dem Salzkammergut und der Steiermark in den Forst von Oraviţa. Später folgten weitere Siedler –Böhmen, Slowaken, Zipser und Deutsche aus anderen Teilen des Banats.

Aus der ursprünglichen Köhlersiedlung wuchs Steierdorf Ende des 18. Jahrhunderts rasch zum „Steinkohlenpott“ heran und wurde schließlich das zweitwichtigste Kohlebergbaugebiet Rumäniens. Die Stadt gliedert sich in zwei Teile: das ältere Steierdorf und das jüngere Anina.

 

Jonny verbrachte seine Kindheit auf einem stillen Bauernhof, umgeben von Schafen, gackernden Hühnern und einem Hahn, den er besonders liebte. Die ländliche Idylle prägte sein Leben, doch auch der ständige, spielerische Wettstreit mit seinen Geschwistern gehörte dazu. Mit seinen beiden Schwestern wetteiferte er oft im Schafe melken – ein Duell, das er trotz aller Mühe nie gewann. Mit seinen drei Brüdern maß er sich in Kraftproben, unterlag jedoch meist. Nicht sein Alter, sondern seine schmächtige Statur war der Grund. Doch wenn es ums Musizieren ging, war er unschlagbar.

Mit zehn Jahren spielte er die Ziehharmonika bereits meisterhaft. Seine Finger glitten mit einer Geschicklichkeit über die Tasten, die für sein Alter erstaunlich war. Sein Talent fiel auf, und ein erfahrener Musiker, der auf dem Hügel vor dem Dorf lebte, förderte es. Dieser Mann, dessen Melodien oft das Tal erfüllten, erkannte in Jonny eine Begabung, die es zu formen galt.

 

Jeden Mittwochnachmittag stapfte Jonny den Hügel hinauf, die Ziehharmonika fest an die Brust gedrückt. Der Weg war lang und mühsam, doch die Vorfreude auf die Musikstunde ließ ihn alles vergessen. Oben angekommen, begrüßte ihn sein Lehrer stets mit einem Lächeln. Gemeinsam tauchten sie in die Welt der Klänge ein, übten Tonleitern, spielten alte Volkslieder und erfanden neue Melodien, die von den Schafen, Hühnern und dem stolzen Hahn auf dem Hof erzählten.
 

Der Hof war Jonnys Welt, doch die Musik sein Königreich. Hier fühlte er sich stark, schnell, unbesiegbar. Während seine Geschwister mit den Tieren oder auf den Feldern arbeiteten, saß Jonny oft in einer stillen Ecke und spielte. Die Melodien, die er der Ziehharmonika entlockte, klangen mal fröhlich und ausgelassen, mal melancholisch und nachdenklich. Sie erzählten von seinem Leben auf dem Bauernhof, von kleinen Niederlagen bei Kraftproben und großen Triumphen in der Musik.

Eines Abends, nach einem langen Arbeitstag, saß die Familie in der Küche. Jonny griff zu seiner Ziehharmonika und spielte ein selbst komponiertes Lied. Die Melodie, lebendig und ausdrucksstark, ließ selbst seine rauen, wettergegerbten Brüder innehalten und lauschen. Als die letzten Töne verklangen, erfüllte Jonny eine tiefe Zufriedenheit. Bei den Schafen und Kraftproben mochte er oft unterliegen, doch mit seiner Musik hatte er etwas Größeres erreicht: Er berührte die Herzen seiner Familie. Das war für ihn der schönste Sieg.

1940 begriff Jonny zum ersten Mal, wie grausam der Krieg war. Er lauschte, wie seine Eltern und älteren Geschwister darüber sprachen. Die Unruhe in der Familie wuchs, denn die Lage verschärfte sich zusehends. Sein Vater war der Erste, den der Krieg forderte. 1941 trat Rumänien an der Seite Deutschlands in den Krieg gegen die Sowjetunion, und sein Vater zog mit. Gemeinsam mit vielen Freunden aus dem Dorf marschierte er gegen den Feind. Anfangs schrieb der Vater noch Briefe, doch im Herbst 1942 blieben sie aus.

Im Winter darauf zogen Jonnys drei Brüder in den verfluchten Krieg. Mit Tränen in den Augen sah er ihnen nach, wie sie das Dorf verließen. Kurz bevor sie hinter dem Horizont verschwanden, drehten sie sich noch einmal um und winkten ein letztes Mal. Jonny hob beide Hände und winkte, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Dabei spürte er den stechenden Verdacht, dass es ein Abschied für immer sein könnte. Natürlich wollte er mit ihnen ziehen, doch mit vierzehn Jahren war er noch zu jung. „Pass auf Mutter und die Schwestern auf“, hatten sie ihm aufgetragen.

Im Sommer 1943 heiratet seine älteste Schwester ihre große Liebe, Josef (Joschi) K., einen damals bekannten Fußballspieler aus der Gegend. Der Sport bewahrte Joschi vor dem Militärdienst, und er verdiente damit recht gutes Geld. Das Paar zog nach Reschitz, die nächstgrößere Stadt der Region. Seine jüngere Schwester begleitete sie und blieb vorübergehend bei ihnen, da die ältere Schwester hochschwanger war und kurz vor der Geburt stand. Zurück blieben seine Mutter und er. Er wollte, dass sie alle zusammen fortgingen, doch die Mutter konnte den Hof und das Dorf nicht verlassen. Sie klammerte sich an die Hoffnung, ihr Mann oder ihre Söhne könnten zurückkehren.
Im düsteren Jahr 1943, als der Zweite Weltkrieg die Welt ins Chaos stürzte, fand Jonny Trost in den vertrauten Gesichtern seiner Freunde im kleinen Dorf. Sie waren sein Halt in einer Zeit, die sich unaufhörlich wandelte. Gemeinsam spielten sie, lachten und träumten von einer Zukunft jenseits der Schatten, die der Krieg über ihr Land legte.

Doch mit Paul verband Jonny mehr als die unbeschwerte Freundschaft der Kindheit. Paul war wie ein Bruder. Sie teilten Geheimnisse, Hoffnungen und Ängste, die für Jungen ihres Alters groß genug waren, um die Nächte zu füllen. Oft saßen sie auf dem alten Holzstapel hinter der Scheune, kritzelten Pläne in den Sand und sprachen von einer Zukunft, die sie sich immer nur zusammen vorstellen konnten.

Ihr großer, geheimer Traum war es, eines Tages nach Amerika auszuwandern – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ein Lichtstrahl in ihrer dunklen Zeit. Sie wollten eine Kochlehre machen, um mit diesem Handwerk in der Tasche den Weg über den Atlantik zu finden. In ihren Gedanken eröffneten sie ein kleines Restaurant, irgendwo im Herzen Amerikas, wo Freiheit greifbar war und die Zukunft allein in ihren Händen lag.
Doch das Schicksal wollte es anders. Im Herbst 1943, als die Blätter in den trüben Farben des Krieges fielen, zerplatzte Jonnys Traum wie eine Seifenblase. Die Nachricht traf ihn wie ein Schlag: Paul musste das Dorf verlassen. Der Krieg ließ ihnen keine Wahl. Pauls Eltern hatten beschlossen, in eine sicherere Region zu fliehen, in ein anderes Land. Sein Vater, ein Allgemeinmediziner, betrieb eine Praxis im Dorf, die er nun aufgeben musste, da die Front näher rückte. Am letzten Oktobertag brachen sie auf, ihr Ziel war Österreich.

Wichtig war nur: Paul ging.
Der Abschied war kurz und schmerzlich. Am Dorfrand, im ersten Licht des Tages, sahen sich die Freunde ein letztes Mal in die Augen. Tränen flossen, Worte blieben überflüssig. Die Versprechen, die sie sich stumm über Jahre gegeben hatten, verwehten im kalten Herbstwind. Paul stieg in den Viehtransporter. Die Räder setzten sich in Bewegung, trugen ihn fort –und mit ihm Jonnys Zukunft in eine ungewisse Ferne.
Der Traum vom gemeinsamen Restaurant in Amerika, vom Leben in Freiheit und unbeschwerter Freude, zerbrach in diesem Moment. Zurück blieben die Erinnerung an einen Bruder, einen Freund, und die bittere Wahrheit, dass der Krieg nicht nur Städte verwüstete, sondern auch die unschuldigsten Träume der Jugend zerstörte. Jonny blieb in Steierdorf, ein Schatten seiner selbst, mit einem Herzen voller Schmerz und einer Zukunft, die plötzlich leer und hoffnungslos wirkte.

 

Doch dann hielt der Viehtransporter an, Paul sprang ab und rannte auf Jonny zu.
„Jonny, wenn du flüchten musst wie wir, geh nach Wien, genauer gesagt nach Simmering. Mein Vater will dort neu anfangen, falls wir es schaffen. Aber sag niemandem ein Wort! Mein Vater hat mir verboten, darüber zu sprechen – es muss unser Geheimnis bleiben. Versprich es mir. Er sagt, diese Reise entscheidet über unser Leben. Wenn wir sie überstehen, haben wir eine Chance auf eine neue Zukunft. “
„Ich verspreche es dir, mein einziger wahrer Freund. Jetzt geh, du musst los. Aber ich schwöre dir, Paul, egal wohin es euch verschlägt, wir werden uns wiedersehen. Der Krieg wird unseren Traum nicht zerstören. Wir müssen nur fest daran glauben. Alles Gute auf eurer Reise – pass auf dich auf, Paul. “

 

In diesem Moment drehte sich Paul um, rannte los und sprang auf den Viehtransporter, als er ihn erreichte. Sekunden später verließen sie das Dorf mit ihm. Jonny lief noch auf einen Hügel und sah ihnen nach, bis sie außer Sicht waren. Stundenlang saß er dort und starrte in die Landschaft. In den folgenden Tagen wiederholte er dies, in der Hoffnung, sie könnten zurückkehren. Doch Paul kam nicht wieder. Jonny akzeptierte es schließlich und betrat den Hügel nie mehr.

Inzwischen wurde Jonny Onkel. Seine älteste Schwester brachte ein Mädchen zur Welt, das sie Lia nannten. Jonny mochte den Namen seiner Nichte sehr. Wochen später wurde er Lias Taufpate. Dabei erfuhr er, dass seine Schwester erneut schwanger war. Er gratulierte ihr, ahnte jedoch nicht, welches Unglück bevorstand. Bei der Geburt ihres Sohnes starb seine Schwester an schweren Komplikationen. Die jüngere Schwester, die bei der Geburt dabei war, versprach der Sterbenden, sich um Joschi und die Kinder zu kümmern.

Die Familie war am Boden zerstört. Die Brüder meldeten sich nicht mehr aus dem Krieg, und kurz zuvor war die Nachricht vom Tod des Vaters eingetroffen, der in Polen gefallen war. Der Schwager stand mit zwei kleinen Kindern ohne Frau da, und die Verzweiflung war allen ins Gesicht geschrieben. Aus dieser Not heraus hielt die jüngere Schwester ihr Versprechen. Sie übernahm die Verantwortung für Joschi und die Kinder.
Jonny fühlte sich innerlich ruhiger, seit er beschlossen hatte, das Land zu verlassen und neu anzufangen. Sollte Deutschland den Krieg verlieren – und alles deutete darauf hin –, würde das Leben hier unerträglich werden. Im April 1945 endete der Krieg in Europa, doch er brachte Chaos und Angst in das kleine Dorf Steierdorf im rumänischen Banat. Jonny, erst 17 Jahre alt, wusste: Jetzt mussten sie fort. Die sowjetischen Truppen rückten näher, und Gerüchte über Deportationen und Lager für die deutschsprachige Bevölkerung verbreiteten sich.

Seine Mutter Maria, eine Frau mit unerschütterlichem Willen, packte nur das Nötigste: ein paar Decken, etwas Brot und die Familienbibel. "Wir lassen deinen Brüdern eine Nachricht, falls sie zurückkommen", sagte sie mit zitternder Stimmeund schob einen Zettel unter die lose Diele vor dem Kamin.
Die Flucht begann im Schutz der Dunkelheit. Mit einer kleinen Gruppe von Dorfbewohnern, die dasselbe Schicksal teilten, schlichen sie aus Steierdorf. Ihr Weg führte durch das unruhige Jugoslawien – eine gefährliche Reise, ständig begleitet von der Angst vor Partisanen, die gnadenlos alles jagten, was "deutsch" wirkte. Sie versteckten sich in Wäldern, schliefen in verlassenen Scheunen und lebten von dem, was sie fanden. Johnny, jung an Jahren, zeigte eine Stärke, die ihn selbst überraschte. Er schützte seine Mutter, so gut er konnte, teilte die knappen Vorräte und hielt unermüdlich nach Gefahren Ausschau.

Nach Wochen voller Strapazen, Hunger und Angst erreichten sie die ungarische Grenze. Die Überquerung war riskant und gelang nur mit Hilfe skrupelloser Schleuser. Doch auch in Ungarn währte die Erleichterung nur kurz. Das Land versank im Chaos des Kriegsendes.
Ihr Weg führte sie nach Österreich. Die Alpenrepublik galt als Ort der Hoffnung, doch auch hier herrschten Not und Unsicherheit. Im chaotischen Nachkriegs-Wien, in einem provisorischen Flüchtlingslager im Bezirk Simmering, geschah das Unfassbare: Zwischen Hunderten entwurzelter Seelen, umgeben von Elend und Verzweiflung, traf er Franz, einen seiner älteren Brüder.

Franz, Johnnys älterer Bruder, war aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden und auf dem Heimweg. Das Wiedersehen überwältigte sie. Tränen flossen, Lachen brach hervor. Doch die Freude blieb getrübt: Eine Rückkehr ins Banat war unmöglich. Rumänien war kommunistisch, die Deutschen dort enteignet.

Franz entschied schnell. Österreich sollte nur eine Zwischenstation sein. Er wollte nach Deutschland, wo er sich bessere Chancen versprach. Trotz der Bitten seiner Mutter, zusammenzubleiben, brach er auf – nach Landshut in Bayern. Der Abschied schmerzte, doch er war unvermeidlich.
Johnny und Maria blieben in Simmering. Das Leben im Lager war hart, doch sie waren in Sicherheit. Johnny packte an, wo er konnte, und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, um Essen auf den Tisch zu bringen. Die Erinnerung an Steierdorf verblasste nie, doch sie blickten nach vorn. Sie hatten überlebt – der erste Schritt in ein neues, ungewisses Leben.

Seine Schwester blieb in Reschitz, Rumänien, bei Joschi und den Kindern. Eine Ausreise war unmöglich, die Strapazen wären für die Kinder zu groß gewesen. Johnny und seine Schwester hielten Kontakt per Brief. Sie schrieben sich regelmäßig, um einander über die aktuelle Lage auf dem Laufenden zu halten. Als Johnny ihr berichtete, dass ihr Bruder Franz gesund sei und sie sich zufällig in einem Flüchtlingslager in Österreich begegneten, war ihre Freude riesig. In ihrer Antwort schrieb sie, dass sie Joschi bald heiraten wolle – die Kinder liebten sie ohnehin, als wäre sie ihre Mutter.
Immer wieder wünschten sie einander in ihren Briefen viel Glück. Doch auch ein baldiges Wiedersehen vereinbarten sie, denn die Familie sollte nicht auseinanderbrechen.

 

Nach Rumäniens Kriegserklärung an Deutschland besetzte die Rote Armee das ganze Land. Sie verschleppten alle deutschsprachigen Männer aus dem Dorf, die nicht rechtzeitig geflohen waren. Auch Reschitz blieb nicht verschont. Kurz vor Kriegsende verfrachteten sie die Männer in Viehwaggons und brachten sie in sowjetische Arbeitslager, teils bis ins Uralgebiet. Unter ihnen war auch Joschi – diesmal konnte ihm der Sport nicht helfen. Jonnys Schwester blieb wegen der Kinder knapp verschont.
 

**Deportation**
 

Jahr für Jahr wurden es weniger. Jahr für Jahr gingen sie gebeugter, ihre Rücken krümmten sich. Doch wenn sie von ihrer Jugend sprachen, richteten sie sich auf. Ihre Augen füllten sich unwillkürlich mit Tränen. Es geht um die letzten noch lebenden rumäniendeutschen Russlanddeportierten.

Männer zwischen 16 und 45 Jahren, Frauen zwischen 18 und 30 Jahren – arbeitsfähig – riss man aus ihren Familien und Gemeinden. Sie kamen aus dem Königreich Rumänien, aus Siebenbürgen, dem Banat, dem Altreich. In Viehwaggons verschleppten die Sowjets sie bis tief ins Uralgebiet, an die Grenze zwischen Europa und Asien.

Viele überlebten nicht. Hunger, Kälte, Krankheiten und Zwangsarbeit forderten unzählige Opfer. Die letzten Deportierten kehrten im Dezember 1949 zurück, meist an Heiligabend. Sie kamen heim vom „Wiederaufbau der Sowjetunion“, wie die Deportation zynisch genannt wurde.
Joschi gehörte zu den wenigen, die überlebten – und die Gräuel ertragen mussten. Mit Briefen hielt er den Kontakt zu Jonnys Schwester aufrecht. Das fiel ihm oft schwer, doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen gab ihm die nötige Kraft. Als er im Dezember 1949 freikam, fuhr er direkt zu seiner Familie nach Reschitz. Die Freude über die wiedergewonnene Freiheit war grenzenlos, als die Familie sich in die Arme schloss. Tage lang flossen Freudentränen, denn das Glück schien unfassbar.

Jonnys Freude war groß, als er erfuhr, dass Joschi ein freier Mann war. Doch die Verluste, die seine Familie erlitten hatte, hielten Jonny von einer Rückkehr nach Rumänien ab. Er hatte seinen Vater und zwei Brüder im Krieg verloren, und das Schicksal seiner älteren Schwester lastete schwer auf ihm. Der Verlust des Bauernhofs in Steierdorf nahm ihm den letzten Halt. Er entschied sich, in Österreich zu bleiben und einen endgültigen Neuanfang zu wagen. Seine Mutter blieb an seiner Seite, während Franz nach Landshut zog. Seine Schwester blieb in Reschitz bei ihrer Familie und heiratete vor Kurzem Joschi.

 

Später traf Jonny in Simmering seinen Freund Paul wieder. Die Freude war überwältigend. Pauls Familie half Jonny und seiner Mutter, in Wien Fuß zu fassen.
Jonny, der auf einem Bauernhof aufwuchs, den er später nie wiedersehen sollte, fand nach Jahren sein Glück in Theresia, seiner großen Liebe aus dem mittleren Burgenland. Sie heirateten und bekamen vier Söhne und eine Tochter. Ihr Familienglück in Wien erlitt 1960 einen schweren Schlag, als Jonnys Mutter Maria nach kurzer, schwerer Krankheit starb.

Trotz der schmerzhaften Erinnerungen, die ihn von einer Rückkehr zu seinen Wurzeln abhielten, hielt Jonny den Kontakt zu seiner Familie. Er besuchte regelmäßig seinen Bruder Franz K. in Deutschland, der dort, wie einst in der Kindheit, einen eigenen Bauernhof bewirtschaftete und mit seiner Frau zwei Töchter großzog. Auch seine Schwester in Reschitz, Rumänien, sah er oft.

Die späteren Jahre brachten weitere Verluste. 1986 erreichte ihn die Nachricht, dass sein Bruder Franz K. kurz vor Weihnachten in Landshut gestorben war. Zwei Jahre später, kurz nach Jonnys Geburtstag, teilte ihm Joschi aus Rumänien mit, dass auch seine Schwester plötzlich und unerwartet verstorben war. Tief erschüttert reiste Jonny zu ihrer Beerdigung– es sollte sein letzter Besuch in Reschitz sein.

Seine lebenslange Freundschaft zu Paul blieb ihm ein Trost. Oft verbrachten sie Zeit in der Kleingartenanlage Simmeringer Haide, wo Paul mit seiner Familie lebte. Doch der gemeinsame Traum von Amerika blieb unerfüllt. Genauso wie das Musizieren mit der Ziehharmonika, dass er nie wieder tat. Im März 1990 starb Jonny nach schwerer Krankheit in Wien Landstraße. Mit seinem Tod endeten auch die Kontakte zu den Familien in Deutschland und Rumänien sowie die Freundschaft zur Simmeringer Haide. 


 

Schlusswort:
Wo auch immer ihr, Familie und Freunde, gerade seid – ich hoffe, es geht euch gut.


Kurzgeschichte aus Simmering

 

Andreas Kmeth                                                               

(a Simmeringer Gschichdldrucka, wi´ra im biachl schdeht)                                                                                                                             

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