
Der Tod ist nah
In der Nacht auf Montag schlief ich unruhig und fühlte mich unwohl. Deshalb stand ich früher auf als sonst und frühstückte ausgiebig. Ich hoffte, dass es mir bald besser gehen würde, und tatsächlich fühlte ich mich nach kurzer Zeit etwas erholter, nur ein wenig müde. Doch die Arbeit rief bereits. Mit müden Knochen machte ich mich gegen halb fünfmorgens auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle. Diese liegt vor dem Tor des Wiener Zentralfriedhofs in Simmering. Es war ein nasser Herbstmorgen, es nieselte leicht, und dichter Nebel hing über der Stadt. Das spärliche Licht verlieh der Szenerie einen unheimlichen Eindruck. Der Weg zur Haltestelle führte mich durch einen Teil der Gartensiedlung Neugebäude, wo ich seit drei Jahrzehnten mit meiner Familie lebe. In letzter Zeit wartete ich oft allein auf die Straßenbahn, so auch an diesem seltsamen Morgen.
Für viele ist es unvorstellbar, so früh und allein an der Straßenbahnhaltestelle zu stehen, mit freiem Blick auf den Friedhof. Ich gebe zu, jedes Mal überkommt mich ein unangenehmes Gefühl der Angst. Allein stand ich an der Station und sah durch drei Eingangstore in den Friedhof. Etwas an dieser herbstlichen Morgendunkelheit war anders. Ich kann kaum beschreiben, wie furchteinflößend dieser Morgen wirkte. Die Dunkelheit war unangenehm auffallend, die Stille unheimlich. Kein Auto war zu hören oder zu sehen. Merkwürdig waren die vielen Krähen auf der Stromleitung der Straßenbeleuchtung, die lautlos dort saßen. Sie starrten auf die Haltestelle, als beobachteten sie etwas, ohne sich zu bewegen. Was führten sie im Schilde, fragte ich mich? Man nennt sie nicht umsonst die Torwächter des Totenreichs.
Ich stand gefühlte fünf Minuten allein und hielt Ausschau nach der Straßenbahn, als mich plötzlich Übelkeit überkam. Ein Schwächegefühl und heftige Schmerzen in der Brust folgten. Allein an der Haltestelle, überfielen mich auch noch Angstzustände. Mein Körper verkrampfte sich, und Angstschweiß trat auf die Stirn. Ich hatte keine Wahl: Ich legte mich auf den Boden. Schmerzgeplagt lag ich dort, unfähig, um Hilfe zu rufen. Schon das Schreien, um Aufmerksamkeit zu erregen, war zu anstrengend. Ich konnte nur leise zu mir selbst sprechen: "Komm, Sam, du musst aufstehen." Doch die Schmerzen und Krämpfe hielten mich am Boden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Erlösung. Die Schmerzen ließen nach, bis sie ganz verschwanden. Ich sammelte kurz meine Kräfte und richtete mich langsam auf. Geschwächt lehnte ich mich an die Laterne an der Haltestelle. Ich atmete tief durch, überzeugt, dass es mir bald besser gehen würde. Und tatsächlich, die Schmerzen waren fast weg. „Gott sei Dank“, dachte ich, „es geht bergauf. “
Durchnässt vom Angstschweiß stand ich leicht gekrümmt da und drehte meinen Kopf langsam zum anderen Ende der Haltestelle. Plötzlich sah ich einen Mann, der regungslos dastand. Er schaute weder zur Seite noch nach oben oder unten, nur geradeaus. Es war, als wäre er allein an der Station und ich unsichtbar. Ich fragte mich, ob er schon da war, als ich am Boden lag, und wie er wohl aussah. Doch der Abstand war zu groß, um sein Gesicht zu erkennen.
Es machte keinen Sinn, mich weiter zu quälen, denn mein Interesse an ihm war zu groß. Immer wieder schaute ich zu diesem Mann hinüber, während er regungslos stehen blieb. Langsam, ohne dass er es bemerkte, ging ich ein paar Schritte auf ihn zu und verringerte den Abstand. Dennoch konnte ich nicht alles an ihm erkennen. Aus dieser Position sah ich nur wenig von seiner Kleidung: einen dunkelgrauen Mantel, eine dunkle Hose, einen schwarzen Hut und in seiner rechten Hand einen seltsam geformten Stock. Aus der Entfernung schätzte ich sein Alter auf über fünfzig. Seine Körperstatur wirkte durchschnittlich. Vorsichtig ging ich noch ein paar Schritte näher, um mehr zu erkennen. Er trug eine große Brille, die viel von seinem Gesicht verdeckte, doch seine auffallend großen Augen waren gut zu sehen. Augenwimpern oder Augenbrauen konnte ich in seinem vernarbten Gesicht nicht ausmachen, was mich skeptisch machte. Unerwartet drehte er sich plötzlich zu mir um.
„Bitte halten Sie Abstand zu mir, wenn möglich. “ Nur so behalte ich den Überblick und die Kontrolle über die Situation.
„Natürlich, mein Herr, entschuldigen Sie“, erwiderte ich.
Seine Stimme klang tief und rau, sie jagte mir Angst ein und ließ mich frösteln. Der Unsinn, den er redete, blieb mir unverständlich. Was ist nur mit diesem seltsamen Mann los?
Ich ging ans andere Ende der Haltestelle zurück, um weiter auf die Straßenbahn zu warten. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, während Minuten verstrichen. Plötzlich sah ich die Lichter der Straßenbahn näherkommen. Ungeduldig wartete ich auf ihr Eintreffen. Endlich kam sie an. Zu meinem Erstaunen war die Straßenbahn komplett schwarz lackiert. Selbst die Fenster waren mit schwarzer Farbe besprüht, sodass man nicht hineinsehen konnte. Noch unglaublicher: Auch die Scheiben der Fahrerkabine waren schwarz besprüht, sodass der Fahrer nicht hinaussehen konnte.
Als die Straßenbahn zum Stehen kam, öffnete sich nur eine Tür, und eine Person stieg aus. Es war eine Frau mit langenblonden Haaren, schlanker Statur und einem langen weißen Kleid.
„Sie sprach mich an: ‚Bitte steigen Sie nicht ein, Sie könnten es zutiefst bereuen. ‘ Wir kennen uns zwar nicht, aber ich muss Sie warnen. Wir müssen reden. “ Ihr Blick drang so tief in meine Augen, dass ich fast verstummte. Diese Begegnung machte mich nachdenklich. Ich misstraute der Frau zutiefst. Was geht hier vor? Was will sie von mir?
Warum steigt der seltsame Mann am anderen Ende der Haltestelle nicht in die Straßenbahn? Stattdessen steht erregungslos da und starrt zu den Friedhofstoren. Ich bin verwirrt.
„Entschuldigen Sie, ich sehe, das ist alles merkwürdig für Sie. Lassen Sie es mich erklären, und hören Sie bitte aufmerksam zu. “
„Gnädige Frau, ich verstehe nicht, was hier passiert, aber bitte, erklären Sie es mir. “
„Mein Name ist Lea R., man nennt mich die wahrhaftige Freiheit. “
„Ja, mein Name ist Sam, und ich glaube Ihnen kein Wort. “
„Man hat mir bereits gesagt, dass Sie Sam heißen. Ich weiß mehr über Sie, als Sie ahnen. Doch möchte ich Sie nicht weiter verunsichern. “
„Wer hat Ihnen gesagt, dass ich Sam heiße, und was wissen Sie über mich? “ fragte ich ratlos und schüttelte den Kopf.
„Darauf komme ich gleich, Sam. Jetzt müssen Sie sich konzentrieren und mir genau zuhören. “
„Gut, ich verspreche, ich reiße mich zusammen und höre aufmerksam zu. Bitte, Lea, sprechen Sie weiter. “
„Sam, kennen Sie dieses Zeichen? “ fragte sie und hob ihren rechten Ärmel, um ein Brandmal zu zeigen.
„Es kommt mir bekannt vor, aber ich kenne die Bedeutung nicht genau. “
„Ich erkläre es Ihnen einfach. Es ist das Freimaurer-Zeichen, auch königliche Kunst genannt. “
Das Zeichen zeigt Zirkel und Winkel, zwei bekannte Symbole der Freimaurerei. Diese versteht sich als ethischer Bundfreier Menschen, die glauben, dass ständige Selbstarbeit zu Selbsterkenntnis und menschlicherem Verhalten führt. Die Freimaurer folgen fünf Grundidealen: Menschlichkeit, Duldsamkeit, Geschwisterlichkeit, Gleichheit und Freiheit. Sie organisieren sich in Logen. Unsere Loge gründeten wir vor langer Zeit am Zentralfriedhof und nannten sie Künstlerloge11. Ich gehöre dazu und setze mich dort für die Freiheit ein.
„Das weckt großes Interesse in mir, Lea. Wer sind die anderen Mitglieder dieser Loge? Könnte ich ihre Namen erfahren?“
„Ja, natürlich, Sam. Zuerst Herr Paul K., der für Menschlichkeit steht. Dann Herr Konstantin S., der Gleichheit vertritt. Herr Karl H. steht für Geschwisterlichkeit, und Herr Ernst G. für Duldsamkeit. Wir fünf bilden die Hauptmitglieder der Künstlerloge 11. “
„Diese Namen der Hauptmitglieder, einschließlich ihrer, kommen mir sehr bekannt vor. “ Wenn ich mich nicht irre, sind sie alle bekannte Wiener Maler.
„Ja, Sie haben recht, Sam, wir sind berühmte Maler. “
Die meisten von uns studierten Malerei an der Wiener Akademie. Viele erhielten Auszeichnungen, Gold- oder Silbermedaillen, manchmal sogar den Ehrenpreis der Stadt Wien.
„Entschuldigen Sie, Lea, dass ich Sie unterbreche. Hören Sie auch die Sirenen eines Rettungswagens? “
„Leider nein, Sam, die höre ich nicht. “
„Es ist merkwürdig, ich höre sie noch immer, aber sehe keinen Rettungswagen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein. “
Lea, ich muss Ihnen gestehen, die Malerei fasziniert mich seit Jahren. Besonders die Ölmalerei hat es mir angetan.
„Sam, das wissen wir schon lange. Ihre Leidenschaft ist unübersehbar. “ Wenn man Ihre Werke betrachtet, spürt man die positive Energie, die Sie damit ausdrücken.
„Ich danke Ihnen für das große Lob. “ Diese anerkennenden Worte und der ermutigende Zuspruch freuen mich sehr, Lea. Anschließend verneigte ich mich lächelnd vor ihr.
„Sam, Sie sollten wissen, dass wir fünf Hauptmitglieder nicht die einzigen in der Loge sind. “ Die Künstlerloge 11 hat viele Mitglieder, unabhängig davon, ob sie einen Abschluss in Bildender Kunst haben. Auch leidenschaftliche Maler wie Sie, Sam, sind willkommen.
„Oh Lea, Sie wecken meine Neugier auf die Künstlerloge 11. “ Doch die Nervosität wegen des Mannes am anderen Ende der Haltestelle erstickt sie. So einen seltsamen Mann habe ich hier noch nie gesehen. Seine Ausstrahlung fasziniert mich auf unerklärliche Weise.
„Sam, machen Sie sich keine Sorgen. Er gehört zu uns. “ Er ist ein Logenwächter namens Benno, der die Loge vor dem Bösen schützt.
„Was meinen Sie mit ‚Bösen‘? “
„Alles, was uns schaden könnte. “
„Warum steht er dann an dieser Haltestelle? Sollte er nicht die Künstlerloge 11 auf dem Friedhof bewachen? “
„Sam, ich will Ihnen keine Angst machen, aber er steht nur zu Ihrem Schutz an dieser Haltestelle. “
„Wie bitte? Was meinen Sie mit ‚zu meinem Schutz‘? “
„Er schützt Sie vor den Krähen auf der Stromleitung. Sie warten nur auf eine Gelegenheit, um Sie anzugreifen, wenn Sie sich nicht mehr wehren können. “
„Ich bin verwirrt, Lea. Ich weiß nicht, ob ich das alles glauben soll. “
„Das verstehe ich, Sam. Aber die Entscheidung liegt bei Ihnen. Sie können Mitglied der Künstlerloge 11 werden. Dann verstehen Sie alles besser und sind nicht mehr so verwirrt, falls Sie Interesse an unserer Gesellschaft haben. “
„Natürlich habe ich Interesse, Lea. Ich bin neugierig, diese Gesellschaft kennenzulernen. Vielleicht sind die Freimaurer sogar ein Geheimbund? “
„Nein, wir sind eine diskrete Gesellschaft, die durch Verschwiegenheit bekannt wurde. Über uns kursieren Verschwörungstheorien, aber das ist Unsinn. Unser Ziel ist Selbsterkenntnis. “
„Oh Lea, meine Neugier auf eure Gesellschaft ist ungebrochen, im Gegenteil, sie ist stärker denn je. Ich würde am liebsten sofort der Künstlerloge 11 beitreten. Gibt es bestimmte Voraussetzungen für die Aufnahme? “
„Ja, Sam, es gibt sie. Man muss ein Ritual bestehen, das nicht leicht ist. “ Wer es schafft, gehört für immer dazu. Doch seien sie sich bewusst: Ein Austritt ist unmöglich, es gibt kein Zurück. Und man kann nur einmal antreten.
„Einen Moment, Lea, ich höre Stimmen, sie sind leise und schwer zu verstehen. “ Puls, kein Puls, doch ein Puls oder so. Lea, hören sie die Stimmen auch?
„Tut mir leid, Sam, ich höre sie nicht. “
„Es ist verrückt, was passiert mit mir? Werde ich wahnsinnig? “ Ich höre Geräusche wie Sirenen und männliche Stimmen.
„Sam, bleiben Sie ruhig, vielleicht bilden Sie sich das nur ein. “
„Ich hoffe, Sie haben recht und es ist nur eine Einbildung. “ Übrigens, mussten Sie das Ritual auch absolvieren?
„Ja, für mich gab es keine Ausnahme. “ Ich war die erste Frau, die es schaffte, und die erste in der Künstlerloge 11. Diese Ehre erfüllt mich bis heute mit Stolz. Außerdem habe ich einige Frauen überzeugt, der Künstlerloge 11 beizutreten. Jetzt sind viele Frauen vertreten.
„Was lehrt die Loge eigentlich, Lea? “
„Freimaurer verpflichten sich zur Verschwiegenheit, besonders über Bräuche und Logenangelegenheiten. “ Alle Mitglieder müssen über Zeremonien, Rituale und andere Themen schweigen. Das ermöglicht intern freien Ideen- und Meinungsaustausch. Darum kann und darf ich Ihnen nichts sagen. Sam, Sie müssen Mitglied werden, um alles über die Loge zu erfahren.
„Lea, können wir die Künstlerloge 11 besichtigen? “
„Ja, Sam, das können wir. Wir müssen dafür nur in die Mitte des Friedhofs gehen. “ Man sieht sie jedoch nur im Dunkeln. Bei Sonnenaufgang verdecken die Strahlen die Loge.
„Gut, Lea, dann gehen wir, solange es noch dunkel ist. “
An der Loge angekommen, bemerkte ich einige Wächter. Sie wirkten furchteinflößend, fast gruselig. Ihre Blicke durchbohrten mich, und ihre verzerrten Gesichter waren alles andere als einladend.
„Lea, die Wächter verhalten sich seltsam mir gegenüber. “
„Natürlich, Sam. Sie sehen Sie als Bedrohung, da Sie kein Mitglied sind. Alle hier sind vorsichtig, weil Sie zu den Bösen gehören könnten. Aber solange Sie bei mir bleiben, besteht keine Gefahr. Was halten Sie von unserer Loge? “
„Unglaublich, Lea, es ist wunderschön hier. Dieser Anblick ist fantastisch. “ So einen faszinierenden Ort habe ich noch nie gesehen. Er gibt mir sofort ein Gefühl von Geborgenheit.
Lea, ich zögere, es zu sagen, aber ich höre wieder jemanden. Diesmal verstehe ich die Stimme klar; es ist eine Frau. Immer wieder höre ich: ‚Komm zurück, bitte komm zurück. ‘ Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber es macht mir Angst. Hören Sie diese Stimme auch?
„Sam, ich kann diese Frau nicht hören, da ich nur Sie hören kann. “
„Wie bitte, Lea? Sie hören außer mir niemanden? Bitte machen Sie keine Scherze. “
„Nein, Sam, ich lüge nicht. “
„Das kann doch nicht wahr sein, ich werde verrückt. “ Lea, ich verstehe es nicht. Sind Sie ein Mensch oder eine verstorbene Seele? Bitte sagen Sie mir die Wahrheit, damit das ein Ende hat.
„Sam, bleiben Sie ruhig und hören Sie mir zu. Ich bin weder Mensch noch verstorbene Seele. “
„Unglaublich, mein Verstand spielt verrückt. Was sind Sie dann, Lea? “
„Einfach gesagt, Sam, wir sind Ihre letzten Gedanken. “
„Meine letzten Gedanken? Wie soll ich das verstehen, Lea? Helfen Sie mir, das zu begreifen. Ich bin völlig verunsichert, lassen Sie mich nicht im Stich. “
„Ich erkläre es so klar wie möglich, Sam. Wir sind Ihre Schöpfung, entstanden aus Ihren Gedanken. Wir existieren, weil Sie an uns denken. Wir bleiben, solange Sie leben. Wenn Sie sterben, sterben auch wir. Werden Sie begraben, begraben Sie uns mit sich. “
„Lea, das ist schrecklich. Das will ich niemandem antun, schon gar nicht Ihnen. Was kann ich tun? “
„Sprechen Sie über uns, Sam. Die Menschen müssen von uns erfahren. Erzählen Sie ihnen von uns und der Loge am Friedhof. Noch besser, schreiben Sie eine Geschichte darüber. Nur so können wir und die Künstlerloge 11 weiterbestehen.“
„Lea, plötzlich tut sich etwas: Ein heller Schatten formt sich zu einem Loch. “ Es wirkt wie ein Tunnel, der sich öffnet, mit einem starken Licht am Ende. Gleichzeitig höre ich wieder die Frauenstimme: „Komm zurück zu mir, bitte komm zurück. “ Ich bin ratlos, Lea, was soll ich tun? Bitte helfen Sie mir!
„Sam, Sie wissen, ich kann diese Stimmen nicht hören. Aber folgen Sie nicht dem Licht, es könnte gefährlich sein. Hören Sie lieber auf die Stimme. Doch letztlich müssen Sie selbst entscheiden. Vertrauen Sie sich, dann finden Sie den richtigen Weg. “
Der helle Schein kam schnell näher, die Frauenstimme wurde lauter. Aufgeregt flüsterte ich: „Licht oder Stimme, Licht oder Stimme. “
Nur nicht die Nerven verlieren, konzentriere dich, entscheide dich, bevor es zu spät ist. Der Schein raste irrsinnig schnell auf mich zu. Plötzlich spürte ich eine Berührung: Eine zarte, warme Hand hielt meine linke Hand fest. Langsam öffnete ich die Augen und erkannte verschwommen meine Frau Lis. Sie saß neben mir, streichelte meine Hand, Tränen in den Augen, ein Lächeln im Gesicht, und flüsterte mir ins Ohr.
„Sam, du bist zurück! Endlich bist du wieder bei uns. Ich bin so glücklich. “
„Was ist passiert, Lis? Wo bin ich, und warum weinst du? “
„Sam, du bist im Krankenhaus. Du hattest einen Unfall. An der Straßenbahnhaltestelle bist du zusammengebrochen und hattest einen Herzinfarkt. Der Straßenbahnfahrer sah dich bewusstlos auf den Schienen liegen, als er einfuhr. Er erkannte die Gefahr, hielt sofort an und leistete Erste Hilfe. Dann rief er den Rettungsdienst, der dich stabilisierte und ins Krankenhaus brachte. Hier verschlechterte sich dein Zustand erneut, und du lagst zwei Tage im Koma. Du hattest unglaubliches Glück, dass der Fahrer so schnell reagierte. Sam, ich hatte solche Angst, dass du nicht mehr aufwachst. “
„Lis, es geht mir gut. Ich bin nur etwas müde und fühle mich schwach. “
Lis drückte den Alarmknopf am Bett. Keine Minute später kam ein Arzt ins Zimmer und untersuchte mich.
„Willkommen zurück, Sam. Wie fühlen Sie sich? “
„Eigentlich recht gut, Herr Doktor. Nur ein wenig müde, etwas schwach und leicht schwindelig. “
„Diese Symptome sind nach einem schweren Herzinfarkt ganz normal. “ Sie hatten wirklich großes Glück, Sam. Ruhen Sie sich aus, um wieder zu Kräften zu kommen. Erholen Sie sich in Ruhe und überanstrengen Sie sich nicht.
„Danke, Herr Doktor. Ich nehme Sie beim Wort und werde mich langsam ins Leben zurückkämpfen“, sagte Sam, wie es sich für einen dankbaren Patienten gehört.
Der Arzt nickte lächelnd und verließ das Zimmer.
„Sam, brauchst du etwas? “
„Ja, Lis, ein Glas Wasser bitte und einen Block mit Stift. “
„Was möchtest du schreiben, Sam? “
„Zuerst erzähle ich dir eine Geschichte, dann schreibe ich sie auf. Alle sollen davon erfahren und sie lesen können. Diese Geschichte brachte mich zurück ins Leben. Vielen Dank, Lea. “
„Sam, wer ist Lea? “
„Schatz, das werde ich dir jetzt erzählen. “
Schlusswort
Man erkennt die Wahrheit nicht nur durch Geisteskraft, vielmehr noch durch das Herz, egal ob es krank oder gesund ist.
Kurzgeschichte aus Simmering
Andreas K.
(a Simmeringer Gschichdldrucka, wi´ra im biachl schdeht )